Solarthermie

Solarthermie

Solarthermie statt Erdgas

Solararchitektur und Speicherung im großen Stil

von Detlef Koenemann

Ende März erschien das Solarthermie-Jahrbuch zum vierten Mal. Aus einer Idee, die während einer Solarmesse geboren wurde, ist eine Publikation entstanden, die regelmäßig über die Erzeugungs- und Nutzungsmöglichkeiten solarer Wärme informiert. Es ist die einzige Publikation, die sich ausschließlich diesem Thema widmet. Das vierköpfige Redaktionsteam hat sich zum Ziel gesetzt, die Solarthermie aus ihrem Schattendasein heraus zu führen, denn sie spielt in der öffentlichen Wahrnehmung nicht die Rolle, die ihr eigentlich zusteht.

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Bild 1: Im Chemnitzer Schlossareal bilden die Solardomizile I und II einen Gebäudekomplex mit insgesamt 29 Wohnungen, Bildquelle: FASA AG

Ende März erschien das Solarthermie-Jahrbuch zum vierten Mal. Aus einer Idee, die während einer Solarmesse geboren wurde, ist eine Publikation entstanden, die regelmäßig über die Erzeugungs- und Nutzungsmöglichkeiten solarer Wärme informiert. Es ist die einzige Publikation, die sich ausschließlich diesem Thema widmet. Das vierköpfige Redaktionsteam hat sich zum Ziel gesetzt, die Solarthermie aus ihrem Schattendasein heraus zu führen, denn sie spielt in der öffentlichen Wahrnehmung nicht die Rolle, die ihr eigentlich zusteht.

Stromwende macht uns noch nicht unabhängig

Weil die Energiewende überwiegend als „Stromwende“ aufgefasst wird, ist in den vergangenen 30 Jahren die Stromerzeugung aus Sonnen- und Windenergie massiv ausgebaut worden, während die „Wärmewende“ nicht recht vorankam. Diese Einseitigkeit rächt sich nun.

Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine hat auf einen Schlag nicht nur die jahrzehntelang fest gefügte europäische Friedensordnung zerstört, sondern auch viele Illusionen, die mit der Energiewende verbunden waren. Schlagartig wurde uns allen die fatale Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen klar, in der wir uns immer noch befinden. Die Illusion, wir hätten durch die Errichtung von zahlreichen Wind- und Solarparks diese Abhängigkeit bereits jetzt deutlich verringert, ist wie eine Seifenblase zerplatzt.

Es ist politisch geboten, den Import fossiler Rohstoffe aus Russland so schnell und so drastisch wie möglich zu reduzieren. Aber insbesondere der Verzicht auf russisches Gas fällt uns schwer. Millionen von Wohnungen werden mit Erdgas, das überwiegend aus russischen Quellen stammt, beheizt. Wenn dieses nicht mehr fließen würde, entstünde eine Lücke, die Solar- und Windstrom nicht schließen könnten, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit.

Das „Osterpaket“ der Bundesregierung setzt diese Einseitigkeit fort. Photovoltaik und Windenergie sollen massiv ausgebaut werden, aber es ist nicht erkennbar, dass wir dadurch in absehbarer Zeit von Gasimporten unabhängig werden. Zwar hat die Bundesregierung die Weichen zugunsten der Wärmepumpe gestellt, die in Zukunft möglichst alle Neubauten beheizen soll und die ihren Strom idealerweise aus erneuerbaren Quellen bezieht, aber für die überwiegende Mehrheit der Bestandsgebäude ist die Wärmepumpe nur sehr bedingt geeignet.

Angesichts der schlagartig sichtbar gewordenen Notwendigkeit, Erdgas einzusparen, wird es Zeit, sich auf den Nutzen der Solarthermie zu besinnen. Sie ist bisher noch keine wichtige Säule der Wärmeversorgung. Sie wird es aber werden müssen, wenn wir unsere Zukunft sichern wollen. Denn auf Photovoltaik und Windenergie allein können wir nicht bauen.

Zentrale Wärmespeicher für Stadtquartiere

Damit die Solarthermie an Bedeutung gewinnt, muss sie auch im Winter nennenswerte Beiträge zur Wärmeversorgung leisten können. Die dezentrale Speicherung muss durch den Bau großer, zentraler Wärmespeicher ergänzt werden. Das Jahrbuch berichtet deshalb ausführlich über das Leitprojekt Giga-TES des österreichischen Klima- und Energiefonds, das von dem Forschungsinstitut AEE INTEC koordiniert wird.

Große Erdbeckenspeicher sind bereits aus dänischen Wärmenetzen mit hohem Solaranteil bekannt. Der aktuell größte Speicher dieser Art befindet sich in Vojens und fasst 210.000 m3 Wasser. Er kann rund 25 % des Wärmebedarfs der Kleinstadt mit ihren knapp 8.000 Einwohnern speichern. Giga-TES untersuchte Speicher mit einem Volumen zwischen 100.000 und 2 Millionen m3. Die dänischen Speicher eignen sich nur bedingt als Vorbild, weil sie oberhalb des Grundwasserspiegels liegen und deshalb maximal 5 bis 6 m tief sind. Wenn man das Volumen vervielfachen will, entsteht ein enormer Platzbedarf. Die Projektpartner haben daher an verschiedenen Stellschrauben gedreht, um die Erdbeckenspeicher für Österreichs Stadtquartiere tauglich zu machen. Sie haben die Speichertiefe vergrößert, die Temperaturspreizung variiert und neue Materialien entwickelt. Entstanden sind fünf verschiedene Konzepte mit einer maximalen Speichertiefe von 50 m. Voraussetzung ist die Stabilisierung der Wände und die Abdichtung der Speicher gegenüber dem Grundwasser. Die Konstruktion der dafür nötigen Schlitzwände setzt derzeit der Speichertiefe eine technische Grenze. Ein anderer wichtiger Parameter ist die Temperatur des gespeicherten Wassers. Modellrechnungen haben ergeben, dass eine niedrige Speichertemperatur vor allem zwei Vorteile bietet: die Wärmeverluste sind geringer und das Grundwasser wärmt sich nicht so stark auf. Deshalb kann die Wärmedämmung dünner ausfallen. Außerdem wird die großflächige Abdeckung preisgünstiger.

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Bild 2: Schwarzblaue Flachkollektoren bilden einen optisch ansprechenden Kontrast zu den helleren Fassadenbereichen., Foto: Kämpfen Zinke + Partner AG Zürich

Aber auch die dezentrale Wärmespeicherung wird an Bedeutung gewinnen. Allerdings kann man Speicher mit mehr als 1 m3 Fassungsvermögen in der Regel nicht in bereits bestehenden Gebäuden unterbringen. Das Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE) der Universität Stuttgart hat deshalb gemeinsam mit einem Industriepartner einen Wärmespeicher entwickelt, die sich aufgrund der Vakuumwärmedämmung für die Außenaufstellung eignet. Der Aufbau des Doppelmantels des neu entwickelten Warmwasserspeichers ähnelt dem einer Thermoskanne. Der evakuierte Zwischenraum des Doppelmantels wird zusätzlich mit einem offenporigen Wärmedämmstoff gefüllt. Deshalb reichen relativ hohe Vakuumdrücke aus, um die Wärmeleitung, die aufgrund der noch vorhandenen Luft stattfindet, zu unterdrücken.

Die Stadtwerke Neumarkt in der Oberpfalz haben einen dieser hocheffizienten Warmwasserspeicher auf der Liegewiese des Schlossbades errichtet. Er hat ein Fassungsvermögen von 60 m3 und wird durch zwei Blockheizkraftwerke mit Wärme versorgt. Seit Ende November 2021 erfolgt ein Langzeit-Stillstandsversuch zur messtechnischen Bestimmung der Wärmeverluste durch das IGTE. Die Auswertung ist noch nicht abgeschlossen. Es zeichnete sich aber bereits ab, dass die Wärmeverluste, bezogen auf das Volumen, deutlich geringer sind als die eines Standardspeichers.

Solarthermie muss sichtbar werden

Damit die Solarthermie aus ihrem Schattendasein herauskommt, ist es wichtig, dass die Erzeugung solarer Wärme sichtbar wird. Es ist daher sinnvoll, dass solarthermische Kollektoren nicht nur auf dem Dach, sondern auch an der Fassade installiert werden, damit jeder sehen kann, dass dort Wärme produziert wird. Dass auf diese Weise optisch ansprechende Lösungen möglich sind, beweist das Schlossareal in Chemnitz ebenso wie das Naturpark-Informationshaus im Bayerischen Wald. Als besonders gelungen gilt die optisch ansprechende Architektur von vier Wohngebäuden in der Schweiz, die ebenfalls im aktuellen Jahrbuch vorgestellt werden. Zu den attraktiven Elementen dieser Solararchitektur gehören Vakuumröhrenkollektoren, die als Balkonbrüstungen installiert wurden, und Flachkollektoren, die wie normales Baumaterial wirken und mit ihrer schwarzblauen Färbung einen ansprechenden Kontrast zu den helleren Fassadenbereichen bilden.

Fernwärme wird immer wichtiger

Zur Beschleunigung des Ausbaus der Solarthermie leistet ohne Zweifel die solare Fernwärme einen wesentlichen Beitrag. Diesem Thema sind im Jahrbuch allein acht Beiträge gewidmet. Über mangelnde Unterstützung der Bundesregierung kann man sich eigentlich nicht beklagen. Zum Beispiel fördert sie schon seit vier Jahren die sogenannte innovative Kraft-Wärme-Kopplung (iKWK), von der auch die Solarthermie profitiert, denn gefördert werden KWK-Systeme, die ihre Wärme zu mindestens 35 % aus Erneuerbaren Energien gewinnen. Ein solches System entsteht zurzeit in Greifswald. Dort installieren die Stadtwerke die bisher größte Solarthermieanlage Deutschlands. Das iKWK-System besteht aus einem Blockheizkraftwerk mit 4,5 MW Stromleistung, einer Power-to-Heat-Anlage mit 5 MW Stromleistung und einer Solarthermiegroßanlage mit 13 MW Wärmeleistung. Dazu kommt ein Wärmespeicher mit 250 MWh Speicherkapazität.

Die größte Solarthermiedachanlage wurde auf der neuen Werkshalle von Ritter Sport in Dettenhausen bei Tübingen installiert. Sie ist Bestandteil eines inter­essanten Geschäftsmodells. Ritter Sport ist der Auftraggeber der Solarthermie­anlage und wird einen Teil der Solarwärme selber verbrauchen, den größten Teil aber an die Stadtwerke Tübingen verkaufen. Die Wärmeversorgung des Städtchens Dettenhausen wird dann auf zwei Säulen basieren: einer Energiezentrale mit Blockheizkraftwerk, Pufferspeicher und Spitzenlastkessel einerseits und der Solarthermiegroßanlage. Auch dieses Projekt wird im aktuellen Solarthermie-Jahrbuch ausführlich vorgestellt.



„Solare Wärme. Das Solarthermie-Jahrbuch 2022“ kostet 15 € einschließlich Porto und kann gegen Rechnung bestellt werden: www.solarthermie-jahrbuch.de

Detlef Koenemann
bis 2008 als Chefredakteur der Zeitschrift „Sonne Wind & Wärme“ tätig, seit 2008 Freier Journalist.
info@detlef-koenemann.de