Über 2 Milliarden Kraftfahrzeuge gibt es auf diesem Planeten, darunter etwa 1,3 Milliarden Autos. Allein in Deutschland sind rund 59,6 Millionen Fahrzeuge zugelassen, davon 48,5 Millionen PKW.1) Über 98 Prozent dieser Fahrzeuge – sowohl in der Bundesrepublik als auch global – haben einen Verbrennungsmotor als Antrieb, sind also allein schon durch ihre CO2-Emissionen extrem klimafeindlich. Im Zuge der Bekämpfung der Klimakrise und der Vermeidung eines unkontrollierbaren Klimachaos müssen alle Verbrennerfahrzeuge schnellstmöglich, d.h. bis spätestens 2040, im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Verkehr gezogen werden.
Dabei ergeben sich zwei Probleme: Erstens sind vor allem die größeren Fahrzeuge immer länger in der Nutzung, und werden ggf. dann noch als Altwagen exportiert, um z.B. in afrikanischen Ländern weiter gefahren zu werden. Daher ist ein rechtzeitiges, sukzessives Verbrennerende im Zuge der nächsten 2 bis 3 Modellgenerationswechsel nicht zu erwarten.
Zweitens stellen die o. a. Fahrzeugzahlen eine ungeheure Menge Grauer Energie dar, die, wie bei Gebäuden oder anderen Großobjekten2) nicht einfach ignoriert bzw. ersetzt werden können. Eventuelle internationale oder nationale Übereinkommen, die vorhandenen Verbrennerfahrzeuge zu verschrotten und durch neu produzierte, womöglich sogar kleinere bzw. leichtere Batterie- (BEV) oder Wasserstoff-(FCEV)Fahrzeuge zu ersetzen, würden wegen der CO2-Emissionen der Fahrzeug-Fertigung die Klimakrise nur weiter verschärfen.
Wie lässt sich nun dieses Dilemma lösen, wie lassen sich geringe CO2-Emissionen im Betrieb mit geringen CO2-Emissionen bei der Grauen Energie (Fertigung) kombinieren?
Eine bereits immer mehr praktizierte Lösung ist die Umrüstung von Fahrzeugen auf einen CO2-freien Antrieb bei Beibehaltung von Karosserie, Fahrwerk etc. und deren Grauer Energie („Retrofitting“). Als geeignete Technik kommen, wie bereits angedeutet, batterieelektrische Antriebe oder Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antriebe, die ebenfalls eine große Batterie benötigen, in Frage. Keine Chance mehr im Fahrzeugbereich haben Verbrennungsmotoren mit synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels), da deren Gesamtwirkungsgrad von der Energieerzeugung bis zum Radantrieb (Well-to-Wheel) bei gerade einmal 10 % liegt, während FCEVs bei bis zu 28 % und BEVs bei bis zu 80 % liegen.
Die Umrüstungschancen sind aber zwischen den verschiedenen Fahrzeugkategorien höchst unterschiedlich, teils aus technischen, teils aus ökonomischen Gründen. Der folgende Überblick zeigt, wo heute die Schwerpunkte der Umrüstungen liegen, was die Akteure treibt, und welche Perspektiven möglich wären.
Oldtimer
Als Liebhaberfahrzeuge, die nur ausnahmsweise alltäglich genutzt werden, zeichnen sie sich vor allem durch ihr Aussehen und ihr Fahrerlebnis aus. Während sich defekte Karosserieteile meist relativ gut ausbeulen oder ersetzen lassen, ist es bei größeren Motorenschäden schwierig bis unmöglich, in jedem Falle aber teuer, das Fahrzeug wieder in einen akzeptablen, originalen Zustand zu versetzen. Zwar haben renommierte Automobilunternehmen wie Audi, BMW, Mercedes etc. ihre Traditionspflegeabteilungen, die Ersatzteile für vergangene Modellserien vorrätig halten, aber auch das hat selbstverständlich Grenzen. Noch schwieriger ist es, die Maschine einer längst verschwundenen Nobelmarke zu ersetzen: ein fast neuwertiger Original-Motor für einen Hispano-Suiza H6C oder einen Isotta Fraschini Tipo 8A Cabriolet lässt sich kaum auf dem freien Markt auftreiben; ein originalgetreuer Nachbau eines solchen Motors dürfte selbst recht betuchte Autosammler ins Schwitzen bringen. Ein gerissener Motorblock bedeutet daher für solche Fahrzeuge fast immer das Aus.
In den USA existiert hierfür eine sich immer stärker verbreitende Lösung: Crate-Engines. Diese „Kisten-Motoren“ haben ihren Namen daher, dass sich viele Amerikaner vom Produzenten ihres Autos einen neuen, meist stärkeren Motor in einer Kiste nach Hause liefern lassen, statt den alten aufwändig zu reparieren oder gar zu tunen; der Alt-gegen-Neu-Austausch erfolgt dann oft in der heimischen Garage. In dieses Segment dringen auch immer mehr Elektromotoren, so dass z.B. die klassischen V8-Blocks u.a. durch Tesla-Motoren ersetzt werden. Mittlerweile haben sich verschiedene Dienstleister wie EV West in San Marcos oder Electric GT in Huntington Beach – beides Kalifornien – darauf spezialisiert, die E-Motoren sowie alle weitere notwendige Technik wie Akkus, Batteriemanagement-Systeme, Verkabelungen etc. für den Umbau zum E-Auto zu liefern. Dass dies mittlerweile ein Geschäft ist, zeigen auch großen Autokonzerne wie GM und Ford, die entsprechende E-Crates und Umbauten auf der alljährlichen Autozubehörmesse SEMA Show in Las Vegas vorstellen. Insbesondere im TÜV-freien und experimentierfreudigen Kalifornien scheint die Umrüstungsbegeisterung keine Grenzen zu kennen: die Firma Zelectric Motors aus San Diego baut sogar Tesla-Motoren in alte Porsche 912 ein.
Dass sich die Oldtimerelektrifizierung nicht nur auf die USA beschränkt, zeigt die britische Firma Aston Martin3), die die Elektrifizierung ihrer Traditionsserie DB 4/5/6 anbietet, oder auch die Firma Jaguar, die den berühmten E-Typ umrüstet – ein E-Fahrzeug, das 2018 auch bei der Hochzeit der inzwischen entnobilitierten Royals Harry und Megan zum Einsatz kam. Diesseits des Kanals gibt es ebenso Firmen, die Teile und sogar Anleitungsvideos für den Umbau liefern wie z.B. die Fleck GmbH im bayerischen Pfarrkirchen oder EV Europe im niederländischen Delft.
Dazu kommen Umrüster wie z.B. die elerra motiv GmbH in Erfurt, die Lorey Elektroauto Umrüstung in Offenbach, Murschel Electric Cars in Renningen bei Stuttgart oder die E-Cap Mobility GmbH in Winsen/Luhe, die mittlerweile ein Teil der börsennotierten Clean Logistics SE/Hamburg ist, auf die wir noch zurück kommen werden. E-Cap Mobility hat in der Vergangenheit nicht nur VW Käfer, VW-Bulli und ein Amphicar elektrifiziert, sondern das aus der Fernsehserie „Zurück in die Zukunft“ bekannte Flügeltürauto DeLorean DMC-12. Mittlerweile befindet sich zwar bereits der dritte DeLorean in der Umrüstung, aber es bleibt wie bei allen anderen Fahrzeugen eine arbeitsintensive Manufaktur-Fertigung; eine Serienfertigung kommt wegen der Einzelaufträge zu den unterschiedlichen Typen nicht in Betracht. Mittlerweile entdecken aber große Konzerne den Markt: Volkswagen Group Components liefert einen kompletten E-Antrieb, den autorisierte Partner wie eClassics aus Bielefeld in ihre E-Kits zum Umbau für VW-Oldtimer integrieren können.
Umrüstungswillige Kunden mag dabei überraschen, dass die in Deutschland nicht gerade günstigen Arbeitskosten noch den geringsten Teil des gesamten Kostenpakets ausmachen. Der Kostenschwerpunkt liegt vielmehr bei den Akkus. Hier werden 750 bis 1.000 Euro für eine Kilowattstunde Speicherkapazität aufgerufen – sehr viel Geld, wenn man das mal mit den rund 8.000 € für den 42-kWh-Akku der bekannten ZOE von Renault vergleicht. Die Akkukosten machen deutlich, warum sich auch im Oldtimer- bzw. Youngtimer-Segment eine Umrüstung nur bei sehr teuren Fahrzeugen oder solchen mit einem hohen emotionalen bzw. symbolischen Wert lohnt.
Aktuelle Serien-PKW
Dieser Bereich fällt derzeit praktisch völlig aus den Umrüstungsbestrebungen heraus, so wünschenswert eine Elektrifizierung hier allein wegen der hohen Zahlen an Bestands-PKWs wäre. Zwar gibt es hier genügend Modelle wie den eingestellten Audi A2, den VW Caddy oder den Golf-Variant, die sich gut umrüsten ließen, und für die sich gegenwärtig keine adäquaten Pendants am Markt gibt. Aber, wie bereits geschrieben, die Akkupreise stehen dem entgegen: Autokonzerne mit ihren großen und oft langfristigen Abnahmemengen erhalten natürlich erheblich bessere Einkaufskonditionen als die deutlich kleineren Umrüster. Dazu kommt die in Deutschland – anders als z.B. in Frankreich – fehlende finanzielle Förderung für Retrofitting. Das Bundesverkehrsministerium hat in den vergangenen Jahren lieber die für den Klimaschutz zweifelhaften Plug-In-Hybride gefördert – und damit den Neuwagenabsatz der Autoindustrie.
Eine grundsätzliche Änderung der Situation wird hier erst eintreten, wenn deutlich günstigere Akkus auf den Markt kommen. Der weltgrößte Batteriezellen-Hersteller CATL aus China hat Natrium-Ionen-Akkus vorgestellt4), die in den nächsten zwei Jahren in die Serienproduktion gehen, und nach vollem Ausbau der Fertigung unter 40 €/kWh kosten sollen. Wenn sich diese Preise realisieren, wird eine Elektrifizierung kostengünstiger als ein Austauschmotor und damit für viele Fahrzeuge zum Selbstgänger.
Insbesondere schwere, große Fahrzeuge mit einem schlechten Luftwiderstandsbeiwert (cw-Wert) sind allerdings auch künftig kaum zu elektrifizieren, da sich mit ihnen keine akzeptable Reichweite erzielen lässt. Aktuelle dicke Geländewagen wie der Mercedes-AMG G 63 und SUVs wie der 2,5 Tonnen schwere BMW X75) mit einer Stirnfläche (A) von 2,90 m2 und einem cw-Wert von 0,34 – der Opel Calibra von 1989 kam schon auf einen cw-Wert von 0,26, der siebensitzige Schlörwagen von 1939 sogar auf knapp über 0,15! – sind unter Elektrifizierungsgesichtspunkten ein Fall für die Schrottpresse.
Kleintransporter
Zum Segment dieser Klein-Lkws bis 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht gehören u.a. Fahrzeuge wie der Fiat Scudo, der Mercedes Vito, der Opel Vivaro oder der VW Transporter T5/T6, wobei die Umrüstung letzterer bisher eine Domäne der Firma ABT in Kempten war.
In diesem Fahrzeugbereich ist die Situation etwas anders als bei den PKW: viele dieser Fahrzeuge sind z.B. aufwändig zum Camper ausgebaut. Sie passen zudem gerade noch unter einen Carport und ideal zu dem gekauften Vorzelt. Ein Camper nach den eigenen Vorstellungen hat, ob Verbrenner oder E-Camper, bisweilen mehrmonatige Lieferfristen. Das Fahrzeug als Ganzes stellt also einen Wert dar, der über den des alltäglichen Personentransports von A nach B hinausgeht. Hinzu kommt, dass viele dieser Camper eine geringe Jahresfahrleistung haben und oft nur kurze Entfernungen vom Heimatstandort bis zum Campingplatz – mit Stromanschluss – zurücklegen. Große und damit teure Akkus sind dazu nicht immer notwendig. Ähnliches gilt für Behördenfahrzeuge, die z.B. mit umfangreichen, justierten Messeinrichtungen ausgestattet sind.
Dieses Segment bearbeitet die Firma Naext in Seevetal bei Hamburg; sie hat sich derzeit auf die VW Transporter T5/T6 spezialisiert. Der Umbau beginnt jeweils mit der Entfernung von Motor, Tank und Auspuff, während das Getriebe im Wagen verbleibt. Bei jedem Fahrzeugtyp wird dann der Motorraum per Laser gescannt, damit auf den Millimeter klar ist, welche Halterungen und Verbindungen zur Aufnahme des E-Motor benötigt werden. Diese werden bei Zuliefern eingekauft. Eingebaut werden dann der E-Motor, der an das Getriebe gekoppelt wird, die elektronische Steuerung, das Batteriemanagement und nicht zuletzt die Hochvolt-Lithium-Ionen-Akkus von CATL, die Naext noch aus überzähligen Lieferungen/Restposten bezieht. Der Umrüster gibt die Reichweite der Fahrzeuge mit 350 km an; die Ladeleistung liegt bei bisher 22 kW. Die Umrüstung dauert zwei Tage und kostet 30 bis 40.000 €, je nach den Akkupreisen am Markt.
Bisher hat Naext drei Fahrzeuge als Prototypen umgerüstet, und will schon im nächsten Jahr auf 100 bis 200 Stück kommen. Die Firma strebt zwar eine Serienumrüstung an, möchte aber selbst nicht große Stückzahlen umbauen, sondern versteht sich als Dienstleister, der umrüstende Kfz-Werkstätten berät, schult und entsprechende Umbau-Kits verkauft. Fürs Erste hat man sich mit dem Caravan-Hersteller Flowcamper zusammengetan und deren Typ Frieda zu einem „Frieda Volt“ umgerüstet.
Busse
Besonders die im ÖPNV eingesetzten Transportmittel sind ein sehr spezielles Segment. Aus Kostengründen (Treibstoff, Wartung) werden hier konventionell meist Dieselfahrzeuge verwendet, die in den Innenstädten, wo sich mehrere Buslinien kreuzen, deutlich zu den Stickoxidemissionen beitragen. Daher gibt es in Deutschland im Rahmen der „Clean Vehicles Directive“6) seit August 2021 Quoten für den öffentlichen Fuhrpark, die allerdings, wie üblich, moderat sind und noch Hintertürchen offen lassen: 45 % der neu angeschafften Fahrzeuge sollen umweltfreundlich sein, was konkret heißt: die Hälfte der 45 % darf noch emissionsarm sein (z.B. Diesel-Hybrid), die andere Hälfte muss emissionsfrei sein (BEV, FCEV oder ein Hybrid aus beiden). Dazu kommen Regelungen für Biokraftstoffe und E-Fuels. Ab Januar 2026 soll die Quote dann auf 65 % steigen. Auch wenn dies alles nicht für eine echte Verkehrswende reicht, so bringt es jetzt schon die kommunalen Beschaffer in Schwierigkeiten: emissionsfreie Neufahrzeuge sind teuer, haben oft lange Lieferzeiten und sind wegen der differierenden Anforderungen von Stadt zu Stadt höchst unterschiedlich – was in Amsterdam oder Kopenhagen gut funktioniert, muss noch lange nicht für Berlin geeignet sein.
Spätestens, wenn ein hochwertiges Fahrzeug des öffentlichen Fuhrparks – und das ist ein Bus allemal – einen Motorschaden hat, ist ein Retrofitting eine echte Alternative zum Neukauf: es ist in der Anschaffung und im Unterhalt kostengünstig, schnell umsetzbar, erspart Mitarbeiterschulungen und ist gut für das Image der Kommune. In diesem Umrüstungssegment tummeln sich neben der o. a. eCap/Clean Logistics auch Firmen wie u. a. Peppermotion im bayerischen Denkendorf, to Zero im holsteinischen Rausdorf, Tassima in Baden-Baden, oder Nob.el sowie I SEE Electric Busses, beide in Enge-Sande (Kreis Nordfriesland). Während einige Umrüster sich auf reinen Batteriebetrieb (BEV) beschränken, setzen andere besonders beim Einsatz mit hohen Tagesfahrleistungen auf einen Wasserstoff-Brenstoffzellen-Antrieb (FCEV), der natürlich auch den Einbau eines Akkus beinhaltet.
LkW bis 7,5 Tonnen
Bei diesen eher für kürzere Tagesfahrleistungen (weniger als 150 km) eingesetzten Lkws mit bis zu 7,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht bleibt die Zahl der Serienumrüster überschaubar. Bekannt ist hier u.a. die Firma Orten Electric-Trucks aus dem rheinland-pfälzischen Wittlich, deren Orten E 75 AT ein elektrifizierter Mercedes-Benz Atego ist. Ebenfalls hierher gehört die EFA-S aus Stuttgart; sie hat in den vergangenen Jahren eine ganze Flotte von dieselbetriebenen UPS-Fahrzeugen umgerüstet. Ein ähnliches Projekt hat UPS in den USA mit dem Umrüster Unique Electric Solutions umgesetzt. Für den Expresspaketdienstleister bietet ein Retrofitting den Vorteil, dass das Unternehmen weiterhin mit den gewohnten Fahrzeuggrößen und Zuladekapazitäten planen kann. Treibstoff- und Wartungskosten sinken, da die Verluste durch das ständige Ein- und Ausschalten des Verbrennungsmotors bei der Kurzstreckenfahrt zwischen den einzelnen Kunden entfallen. Und das Unternehmen als Ganzes profitiert von einem „sauberen“ Image.
Lkw über 7,5 Tonnen
Dass eine Elektrifizierung auch für schwere Lkw und Fahrzeuge interessant ist, haben die Ende letzten Jahres veröffentlichten Ergebnisse des vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) durchgeführten Projekts „ZeroEmissionDeliveries – Berlin“ gezeigt. Die Forscher konnten dabei auf den Datensatz von 9.500 realen Lkw-Touren der REWE Gruppe im Großraum Berlin zurückgreifen. Die Touren wurden von 224 schweren Lkw mit über 12 t zulässigem Gesamtgewicht gefahren. Das Ergebnis fasst der Studienleiter Dr. Patrick Plötz wie folgt zusammen: „Die aktuell verfügbaren Reichweiten von Batterie-Lkw reichen oft heute schon aus, um alle in der Studie analysierten städtischen Lkw-Touren und fast die Hälfte der betrachteten regionalen Touren mit E-Lkw zu schaffen. Mit einer optimierten Routenplanung und zusätzlichem Zwischenladen ist das Potenzial sogar noch größer. Bei schweren Lkw über 26 Tonnen mit sehr langen Tagestouren bleibt die Elektrifizierung nach Stand des heutigen Fahrzeugangebots allerdings noch eine Herausforderung.7) Dieses Ergebnis deckt sich mit den Praxiserfahrungen anderer, etwa denen der Firma Gruber Logistics, die sich einen 40-Tonnen-Diesel-Lkw vom E-Nutzfahrzeug-Spezialisten Framo hatten umbauen lassen.
In Hamburg versucht die Firma Clean Logistics dieses Problem anzugehen. Neben Bussen hat das Unternehmen mit seinen knapp 100 Mitarbeitern bisher ein Dutzend schwere Lkw umgerüstet, darunter auch 44-Tonner-Sattelzugmaschinen. Zumeist sind es Bestandsfahrzeuge, überwiegend sogar ohne Motorschäden. Ziel ist es, von einer Manufaktur-/Einzel-Umrüstung zu einer kostengünstigeren Serienumrüstung zu kommen. Bisher dauert die Umrüstung 2 bis 3 Monate; die Kosten für eine große Sattelzugmaschine liegen bei ca. 500.000 €, wobei auch hier die Materialkosten insbesondere für die Batterien an erster Stelle stehen. Für seine Energiespeicher verwendet Clean Logistics Lithium-Eisenphosphat-Zellen (LFP) aus China, da diese nicht selbstentzündlich und frei von Nickel sowie Kobalt sind. Die Zellen werden dann hier zu Modulen zusammengestellt und mit einem Batteriemangagementsystem versehen. Bei schweren Fahrzeugen für die Langstrecke setzt man auf eine Kombination von Batterie und Brennstoffzelle: ein 200-kWh-LFP-Akku, ein großer, mit 350 bar befüllter H2-Tank und zwei je 120 kW leistende Brennstoffzellen sollen dem Schwergewicht eine Reichweite von 400 bis 500 km sichern. Für umrüstungswillige Lkw-Eigner ist die E-Mobilisierung sicher auch interessant, weil der Staat hierbei bis zu 80 % der Mehrkosteninvestition übernimmt.8)
Ob der Antrieb mit dem hoch subventionierten Wasserstoff sich letztlich durchsetzt, wird die Zukunft zeigen. Mögliche Alternativen sind die Lkw-Oberleitungen auf Autobahnen, Wechselakkusysteme oder die Solarisierung von Lkws mittels großer PV-Installationen auf Dach- und Seitenflächen (Vehicle-Integratet PV/VIPV), wie sie das Fraunhofer ISE im vergangenen Jahr anhand eines 18-Tonnen-Lkws gezeigt hat.9)
Und sonst so?
Auch weitere Fahrzeugkategorien sind das Ziel von Retrofittinginitiativen: in Berlin hat das Startup Second Ride einen Umbausatz für ehemalige DDR-Motorzweiräder wie die Simson Mopeds S50, S51, sowie für die Schwalbe KR51/2 entwickelt, und möchte den nun in Serie produzieren. Auch in der Landwirtschaft gibt es immer mehr Fahrzeugelektrifizierungen, und zwar längst nicht nur bei historischen Traktoren, deren Motor sich unwiederbringlich verabschiedet hat. Gerade Landmaschinen mit kleinen Fahrradien, wie z.B. Radlader zum Heben schwerer Lasten auf dem Hof, sind hierfür gut geeignet: ihre Dieselmotoren werden während kurzer Einsatzzeiten gar nicht richtig warm, weshalb sie einen hohen Verbrauch und Verschleiß haben.
Der Wunsch nach sauberer Mobilität – nicht nur hinsichtlich der Umwelt, sondern auch des Klimas – beschränkt sich nicht auf Landfahrzeuge: So werden seit Jahren klassische Motorboote auf Elektroantrieb umgebaut. Neben der größeren Ruhe auf dem Wasser spielt zweifellos die verschärfte Umweltgesetzgebung eine Rolle, die das Befahren vieler Gewässer durch konventionelle Motorboote wegen der Gefahren durch Treib- und Schmierstoffverluste verbietet. Bayerische Firmen wie Simmerding in Berg oder Electrified Classics in Valley sind auf diesem Gebiet tätig, aber auch die bereits erwähnte Offenbacher Lorey Maschinenbau. Noch einen deutlichen Schritt weiter gehen die Solarboot Initiative Lübeck e.V. und das Kieler Startup Flin Solar. Erstere hat eine 10-Meter-Motoryacht mit PV-Modulen zu einem Solarboot umgerüstet, letztere Firma liefert am Mast hochziehbare PV-Module, so dass auch Segelboote mit Sonne fahren können.10) Auf dem Wasser gibt es nun mal keine Verschattungen durch Bäume u. ä.
Was spricht dagegen?
Natürlich werden gegen die Umrüstung auch immer Argumente ins Feld geführt, deren wichtigste sind:
- Das Auto ist um den Antrieb herum aufgebaut (Form follows Function); eine Elektrifizierung war bei der Konstruktion nie vorgesehen.
Das ist zwar richtig, belegt aber noch nicht, dass eine sinnvolle Elektrifizierung nicht doch gut möglich ist. Schließlich werden immer wieder Fahrzeuge, von Autos bis zu Schiffen, für andere Nutzungszwecke substantiell umgebaut. - Alte Autos sind bezüglich der Sicherheitsstandards überholt; man sollte ihre Nutzungsdauer nicht unnötig verlängern.
Viele ältere Autos entsprechend durchaus noch dem Stand der Technik und sind, vom TÜV geprüft, verkehrssicher. Zudem schöpfen vor allem in der Stadt bewegte Autos ihre Sicherheitsreserven bei weitem nicht aus. - Eine Umrüstung ist unwirtschaftlich, und wird es wegen der damit verbundenen Handarbeit immer bleiben.
Eine Umrüstung ist derzeit ohne staatliche Finanzhilfen noch unwirtschaftlich, aber das wird durch die sinkenden Akkupreise nicht so bleiben, zumal es zumindest für weit verbreitete Großserienfahrzeuge eine serielle Umrüstung geben wird.
Fazit
Retrofitting wird heute schon in vielen Segmenten praktiziert. Es spart wertvolle Ressourcen und CO2-Emissionen. Auch wenn es derzeit im breiteren Markt nur mit staatlicher Förderung funktioniert, so wird es sich künftig auch finanziell „rechnen“. Die Zeit des Retrofitting hat gerade erst begonnen.
Fußnoten
3) aston.co.uk/ev-conversion.html
4) www.catl.com/en/news/665.html
5) automobil-guru.de/cw-werte-tabelle-stirnflaeche/
6) www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/G/clean-vehicles-directive-faq.html
7) idw-online.de/de/news779195
8) www.bag.bund.de/DE/Foerderprogramme/KlimaschutzundMobilitaet/KSNI/Ksni_node.html
10) www.dgs.de/news/en-detail/270821-mit-sonne-segeln/
Götz Warnke
ist Vorsitzender der DGS-Sektion Hamburg-Schleswig-Holstein
kontakt@warnke-verlag.de