Seit 2013 betreibt die AVA Abfallverwertung Augsburg eine Bioabfall-Vergärungsanlage. Neben der Aufbereitung von Biomethan wird bei Verwertung von Biomüll CO2 in flüssiger Form gewonnen.
Es ist laut; es ist sehr laut im Kompressorraum der AVA. Links steht die Aufbereitungsanlage für das Biomethan. Das wird ins Netz der Stadtwerke Augsburg eingespeist und von Erdgas Schwaben an Kundschaft mit dem Kaufwunsch Bio-Erdgas verkauft. Das Gas muss dafür auf den Druck des Verteilnetzes zusammengepresst werden. Diese Hälfte des Raumes ist wegen möglichen Gas-Austritts Ex-geschützt ausgeführt.
Rechts im Raum steht ebenfalls eine Reihe blauer Kompressoren, aber ohne Ex-Schutz: Diese verdichten das CO2 auf einen Druck von etwa 17 bar, um das Klimagas bei einer Temperatur von -24°C zu verflüssigen und nicht in die Atmosphäre gelangen zu lassen. Vor dem Eingang hängt übrigens ein Spender mit Ohrenstöpseln: Die sollte man tunlichst verwenden, bevor man sich dem Lärm aussetzt. So wie bekanntlich auch die Motorräume von Biogasanlagen möglichst nur mit Ohrenschutz betreten werden sollten. Das nur am Rande zur Erinnerung.
Bereits seit 1991 ist bei der AVA in Augsburg „die Umwelt in guten Händen“, so der Werbespruch des Kommunalunternehmens des Abfallzweckverbands Augsburg AZV. Der setzt sich aus der Stadt Augsburg und den beiden Landkreisen Augsburg sowie Aichach-Friedberg in Bayerisch-Schwaben zusammen. Seit 1993 werden hier Bioabfälle verarbeitet, zunächst in einer konventionellen Kompostieranlage, die 2013 auf Vergärung umgebaut wurde.
Schlupffreie Biogasanlage der AVA
Laut AVA-Fachmann Wolfgang Veszely ist die von Pentair Haffmans gelieferte Biogasanlage „methanschlupffrei“. Das ist nicht gerade normal. Denn „bei Biogasanlagen können nennenswerte Mengen von Methan entweichen, und zwar nicht nur durch Leckagen, sondern durch den Methanschlupf gewisser Anlagenkomponenten“, erklärt der promovierte Physiker Rüdiger Paschotta. Der Betreiber des neutralen Infoportals „Energie-Lexikon“ weiß um die Unterschiede der verschiedenen Aufbereitungsverfahren, damit Bioerdgas als Biomethan in das Erdgasnetz eingespeist werden kann. Und je nach Methode „entweichen gewisse Anteile des Methans in die Abluft. Bereits Werte von einem Prozent sollten jedoch nicht toleriert werden, da sie die Klimabilanz der Biogasnutzung erheblich verschlechtern.“
Warum seine Anlage methanschlupffrei arbeitet und gleichzeitig CO2 absondert, erklärt der niederländische Hersteller so: „Durch ein Mehrfachmembransystem können 99 Prozent des CO2 aus dem Biogas entfernt werden. Haffmans` zweistufiges Membransystem in Kombination mit einem kryogenen System vermeidet somit jeglichen Methanschlupf. Auf diese Weise werden gleichzeitig Biomethan und reines, flüssiges CO2 erzeugt.“
Wie das in Augsburg konkret funktioniert? Laut Wolfgang Veszely wird der CO2-Strom auf rund minus 25 °C abgekühlt. Dabei wird das CO2 flüssig, während das noch enthaltene Methan gasförmig bleibt. Somit lassen sich beide Stoffe nahezu vollständig trennen. Das abgetrennte Methan wird dem Biomethankreislauf zugeführt, das gereinigte CO2 geht in die Speichertanks.
Um komplett auszuschließen, dass Methan in die Atmosphäre gelange, werde bei der AVA die Abluft aus Abluftströmen, welche Spuren von Methan enthalten können, in die Verbrennungskessel im Müllheizkraftwerk geleitet. „Und auch das Kondensat wird dort in den Verbrennungsraum eingedüst“, ergänzt Wolfgang Veszely.
CO2-Ausschleusung von Anfang an
Mit der Biogaserzeugung kam 2013 auch gleich die CO2-Ausschleusung – so der Fachbegriff – aufs AVA-Gelände. Der Anlagenlieferant Pentair-Haffmans aus den Niederlanden habe diese Möglichkeit ins Spiel gebracht, so Wolfgang Veszely, der Leiter Technische Dienste beim Kommunalunternehmen (KU) AVA Augsburg. Die Aufbereitung, also der hohe Reinigungsgrad des Biogases sei für die EEG-Zertifizierung ohnehin notwendig. Und auch wenn für die CO2-Gewinnung etwa 0,15 Kilowattstunden pro Normkubikmeter (kWh/Nm³) Bio-Erdgas aufgewendet werden müssten: Die Energie sei vorhanden – und für den eigenen Anlagenbetrieb sei CO2 ein wichtiger Betriebsstoff. „In der Ex-geschützten Biogasaufbereitung werden die Ventile damit angesteuert. Und zur Inertisierung (Reinigung) der Aktivkohlefilter beim Wechsel wird mit CO2 der Methanrest ausgewaschen“, nennt der Leiter Technische Dienste beispielhaft zwei Anwendungen für das Gas, das im Wasser zu Kohlensäure wird.
Doch es hat einen guten Grund, warum wir die AVA nun erneut aufgesucht haben: Seit dem 1. Februar 2020 ist hier eine Tankanlage für das Flüssig-CO2 in Betrieb. „Seitdem vermarkten wir auch das CO2“, berichtet Wolfgang Veszely. Die Idee dafür gab es bei der AVA schon länger. So hatte ein großer deutscher Konzern für technische Gase Interesse bekundet. „Aber in den Jahren um 2013 war die Nachfrage nach CO2 aus einer Abfallverwertungsanlage nicht sehr hoch, gibt Veszely zu bedenken. Doch ab 2018 habe sich „der Markt für unser CO2 aufgetan“, konkret beispielsweise für die Reinigung mit Trockeneis oder zum Einsatz als relativ umweltverträgliches Kühlmittel für Klimaanlagen.
Deshalb wurde von der Firmenleitung im Jahre 2019 beschlossen, die Anlage um eine Tankanlage zur Lkw-Befüllung zu erweitern. Die ist nun seit dem 1. Februar 2020 in Betrieb, also auch schon wieder über zwei Jahre. Und das augenscheinlich mit Erfolg: im vergangenen Jahr wurden nach AVA-Angaben 4.523 t CO2 vermarktet, ein Großteil der Produktion. Der Großkunde, Anbieter Technischer Gase, komme mit der erzeugten Reinheitsqualität gut zurecht, weiß Veszely.
Auffällige Kernstücke der CO2-Tankanlage sind zwei Tanks für das druckverflüssigte Gas, jeder mit einem Fassungsvermögen von 50 m3. Die sind dafür ausgelegt, die CO2-Produktion von bis zu 17 Tonnen pro Tag am Wochenende abzupuffern: Die Tanklaster des Kohlenstoffdioxid-Kunden aus dem nahen Gersthofen kommen nur während der (normalen Arbeits-)Woche auf das AVA-Gelände nach Augsburg. Hier steht übrigens beileibe nicht nur die Bioerdgas-Erzeugung aus Grünabfällen: Das Abfallheizkraftwerk produziert aus dem Müll der Verbandskommunen Wärme für das Augsburger Stadtwerke-Nahwärmenetz sowie Strom. Dazu werden hier auch Klinikabfälle verbrannt, eine von nur zwei Entsorgungs-Stellen in ganz Bayern.
Biofilter ganz am Ende des Prozesses
Doch wer auf das riesige Firmengelände der AVA kommt, merkt im ersten Moment kaum, dass hier Abfallstoffe – die werden auch gerne als Müll bezeichnet – verarbeitet werden. Störender Geruch? Nein danke. Dafür sorgen nicht nur Rauchgasfilter in der Müllverbrennungsanlage, dem größten Gebäude hier, sondern auch der 1.000 m² große Biofilter neben den drei Trockenfermentern für die Biogasproduktion. Ganz am Ende, wenn bereits alle energiereichen Bestandteile aus dem Abgas herausgefiltert und wieder in den Prozess eingeleitet worden sind, „wird die Luft abgesaugt und in den Biofilter geleitet“, ist auf der AVA-Webseite zu lesen.
Der Biofilter sieht aus, wie ein großes, 1,5 Meter tiefes Schwimmbecken, in das Rindenmaterial von umstehenden Bäumen gefallen sind. Tatsächlich aber sind das, was man da sieht, Teile ganz normalen, gerissenen Wurzelholzes. „Mikroorganismen, die darauf leben, helfen die Luft auf natürlichem Wege zu filtern.“ So beschreibt die AVA-Öffentlichkeitsarbeit die Funktion dieses „natürlichsten Filters der Welt“, der eine Geruchsbelästigung für die Mitarbeitenden genauso wie für die Nachbarschaft verhindert.
Wie was aus dem Grünabfall wird
Elf Mitarbeitende der AVA sind direkt der Biogaserzeugung zugeordnet. Die haben im vergangenen Jahr dafür gesorgt, dass in den Fermentern 93.880 Tonnen (t) Grünabfall vergoren wurden. Ins Erdgasnetz wurden daraus genau 44.173.242 kWh Biomethan eingespeist. Außerdem wurden 4.523 t CO2 vermarktet. Dazu wurden 19.300 t Fertigkompost und 20.486 t flüssiges Gärprodukt produziert, beides laut AVA „BGK RAL-gütegesichert“, und an Landwirte verkauft.
Ausgelegt ist die Anlage im Übrigen auf 105.000 Jahrestonnen, es gibt also noch Annahmepotenzial.
Laut Wolfgang Veszely soll die Anlage zur Kompostabsiebung weiter optimiert werden: Hier werden die Störstoffe wie beispielsweise Folienreste entfernt. Unter anderem, weil laut Wolfgang Veszely „die Vermarktung von Kompost an die Biolandwirtschaft immer schwieriger“ werde. Trotz eingehaltener (Kunststoff-)Grenzwerte. „Der Bau einer neuen Feinaufbereitungsanlage ist bereits beauftragt.“ Mit der so genannten Nahinfrarotdetektion – kurz: NIR – soll dann der bereits gesäuberte „Produktstrom nochmals auf Kunststoff überprüft werden“.
Die kamerabasierte NIR-Technologie macht es möglich, mit einem für Menschen nicht sichtbaren Lichtspektrum in einem Wellenlängenbereich zwischen etwa 700 und 2.500 Nanometer bestimmte Moleküle in Schwingungen zu versetzen und zu detektieren.
Heinz Wraneschitz
Energieingenieur und Fachjournalist für Energie- und Umweltthemen
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